COLLECTING MOMENTS
Das Leben ist ein Wimpernschlag

Die einzige Konstante des Lebens ist Veränderung. Alles ist in Bewegung. Immer. Manchmal kann das toll sein: Wenn sich Dinge entwickeln. Wenn Neues entsteht. Sich neue Projekte konkretisieren. Eine neue Liebe wächst. Ein Kind geboren wird. Ein neuer Lebensraum sich öffnet.

Nicht selten kann Veränderung auch schmerzhaft sein. Wenn du Abschied nehmen musst von einem lieben Menschen. Wenn die Kinder plötzlich flügge sind und eine kostbare Lebensphase zu Ende geht. Wenn du siehst, wie das Alter bei deinen Eltern seine Spuren zeichnet. Wenn plötzlich nichts mehr zu sein scheint, wie es war.

Die Ewigkeit des Augenblicks

Wenn mir schwindelig wird von diesem dynamischen Strom des Lebens (und das ist in diesem Jahr öfters geschehen), finde ich Anker & Kompass in meiner buddhistischen Ausübung, dem Rezitieren des Mantras Nam-Myoho-Renge-Kyo. Beim Chanten verbindet sich mein Leben, unser Leben mit der Unendlichkeit des Universums. Auch hier, in dieser kosmischen Weite, ist alles dynamisch, alles in Bewegung. Es braucht oft die Zeit, die es eben braucht, bis ich wieder vertraue: Jeder Moment beinhaltet die Ewigkeit. Jeder Augenblick enthält alles in seiner Gänze. In der Wertschätzung des Moments liegt der Schlüssel zur Verbundenheit mit der Ewigkeit des Lebens.

Ganz im Hier und Jetzt, kann ich alle meine Lieben im Herzen treffen - auch wenn sie gerade tausende Kilometer entfernt sind oder bereits in eine neue Existenz aufgebrochen.

Momente sammeln mit der Kamera

Gegenwärtigkeit, das Eintauchen ins Hier und Jetzt, lässt sich üben. Der Wald und das Meer sind meine liebsten Helfer dabei - ja überhaupt die Natur. Das Handy auf stumm, gehen meine Kamera und ich gemeinsam spazieren. Ich lasse mich treiben, lasse Gedanken kommen und gehen. Lange verweile ich im puren Schauen, ohne überhaupt zu fotografieren. Momente sammeln kann man auch mit dem Herzen.

Und dann entstehen (manchmal) diese besonderen Augenblicke, die geradezu von mir einfordern, festgehalten zu werden. Es ist wie eine innere Stimme, eine Demut vor der Schönheit des Alltäglichen, eine kleine Gänsehaut, ein Bedürfnis, meiner Herzenswahrnehmung einen bildlichen Ausdruck zu geben. Das Fotografieren geschieht jetzt fast wie eine Nebensächlichkeit. 

"Peace of Mind"-Augenblicke

Solche intensiven "Gegenwarts-Momente" lassen sich wunderbarerweise unabhängig von dem erleben, was gerade im außen passiert. Das Titelfoto dieses Artikels habe ich zum Beispiel Anfang Januar am Meer in Domburg aufgenommen. An diesem Tag war ich in tiefer Trauer um meinen kurz zuvor verstorbenen Bruder am Strand entlang gewandert, als Himmel und Meer plötzlich eine unfassbare Weichheit annahmen. Ich setzte mich in den Sand, staunte lange (und frierend) - und fing dann irgendwann an zu fotografieren. Wenn ich heute das Foto betrachte, fühle ich genau dieselbe Friedlichkeit wie in jenem Moment - und auch die Traurigkeit darf noch da sein.

Eine Sammlung der schönsten Augenblicke dieses Jahres habe ich in meinem Postkartenkalender "Peace of Mind" zusammengestellt. Gedruckt auf samtweichem Feinpapier und mit ausgewählten Zitaten zum Thema (innerer) Frieden auf der Rückseite begleitet der Kalender durch das Jahr - als Einladung an dich, immer wieder die Schönheit im Alltäglichen zu entdecken.

Während ich diesen Journalbeitrag schreibe, erhalte ich die Nachricht, dass mein buddhistischer Mentor Daisaku Ikeda, Ehrenpräsident der buddhistischen Gemeinschaft Soka Gakkai, am 15.11. im Alter von 95 Jahren verstorben ist. Die Inspiration zur Gründung von purespective vor genau zwei Jahren habe ich durch seine Ermutigungen bekommen und empfinde tiefe Dankbarkeit. Ohne Daisaku Ikeda wäre ich nicht die Person, die ich heute bin.